Vollgeldreformer äußern zu Recht Kritik an der Giralgeldschöpfung. Aber die daraus abgeleiteten Reformvorschläge basieren aus Sicht der Modern Monetary Theory auf einer nicht haltbaren Ökonomik.
Die Reformideen der Vollgeldinitiativen scheinen vor allem durch gesellschaftliche Missstände motiviert. Dabei verweisen Vollgeldreformer üblicherweise auf die Finanzkrise, die Einkommens-und Vermögensungleichheit und die damit einhergehende vermeintliche Begrenzung der staatlichen Verschuldungsfähigkeit.
Im Zentrum ihrer Kritik stehen die destruktiven Aktivitäten des Bankensektors. Berechtigterweise äußern Vertreter der Vollgeldreform Kritik daran, dass die übermäßige und fehlgelenkte Kreditvergabe von Geschäftsbanken mit negativen Folgen für die Realwirtschaft einhergehen. Tatsächlich musste die Finanzierung der produktiven Realwirtschaft in großen Teilen längst Casinoaktivitäten auf den unproduktiven Finanzmärkten weichen.
In der akademischen Literatur spricht man vom sogenannten »debt shift«. Diese Entwicklung geht mit übermäßiger ökonomischer Machtkonzentration im Finanzsektor, Vermögenspreisinflation sowie einer immer weiter auseinander gehenden Vermögensschere einher und ist allemal reformbedürftig.
Vollgeldreformer sehen das Geldsystem als wirkmächtigen Hebel zur Verbesserung der Lebensumstände der Mehrzahl der Bürger. In dieser Hinsicht sind sie sich mit Vertretern der Modern Monetary Theory (MMT) grundsätzlich einig. Dennoch tragen MMT-Vertreter die recht detaillierten Vorschläge zu einer Reform des Geldwesens nicht mit. Dafür gibt es gewichtige Gründe. Angefangen von inkompatiblen Überzeugungen vom Wesen des Geldes über die Funktionsweise des zweistufigen Geldsystems bis hin zu makroökonomischen Zusammenhängen.
Der Staat in Geiselhaft der Banken und Investoren?
Vollgeldreformer sehen die gegenwärtigen Staatsschuldenstände als Problem. Ihre Reformvorschläge zielen daher auf den Abbau von Staatsschulden. Das erscheint für sie ein erstrebenswertes Ziel zu sein, weil sie glauben, dass der Staat sich bei privaten Banken und Investoren verschulden müsse, um seine Ausgaben bestreiten zu können. Die damit einhergehenden Zinszahlungen vom Staat an die privaten Geldgeber belasten das Staatsbudget und befeuern darüber hinaus die materielle Ungleichheit – so die Auffassung.
Diese weit geteilte Sicht auf die Staatsfinanzierung ist aus Sicht der MMT falsch.
Erstens werden Staatsanleihen, die das Finanzministerium begibt, nicht – wie von Vollgeldreformern implizit unterstellt – mit Giralgeld, sondern mit Zentralbankgeld gekauft. Zentralbankgeld (auch Reserven genannt) kann aber lediglich von der Zentralbank kommen und nicht eigenständig von Banken erzeugt werden. Wie dann kommen Banken an Zentralbankgeld, wenn sie Anleihen kaufen wollen? […]
Autor: Maurice Höfgen
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