Die japanische Regierung beschloss 2019 eine zweiprozentige Erhöhung der Mehrwertsteuer, um den Kostenanstieg der alternden Bevölkerung zu bewältigen. Die neusten Quartalszahlen zeigen die destruktiven wirtschaftlichen Auswirkungen. Eine Einordnung aus Sicht der MMT.
Wie in vielen anderen entwickelten Ländern, ist auch in Japan das Phänomen des demographischen Wandels hin zu einer alternden Gesellschaft beobachtbar. Die Geburtenrate lag 2017 bei 1,43 Kindern pro Frau. Ein Drittel der Bevölkerung Japans ist heute schon über 60 Jahre alt. Die japanische Regierung rechnet demzufolge mit höheren Ausgaben in den Bereichen Rente, Pflege und Gesundheit. Um die bisherigen Leistungen weiter zu garantieren, so der Tenor der japanischen Regierung, seien höhere Steuereinnahmen nötig.
In diesem Geiste beschloss die japanische Regierung eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 8 auf 10% Prozentpunkte sowie eine Reihe von Begleitmaßnahmen, um niedrigere Einkommen von der Steuererhöhung zu entlasten. So wurden etwa Lebensmittel und alkoholfreie Getränke vom erhöhten Steuersatz ausgenommen sowie diverse Rabatte und Einkaufsgutscheine ausgegeben. Der Premierminister Shinzō Abe sagte im September 2019, kurz vor dem Inkrafttreten der Mehrwertsteuererhöhung:
„Dies wird ein Schritt sein, um mit einem Versicherungssystem für alle Generationen fortzufahren, unter dem sich Kinder und ältere Menschen wohlfühlen können”.[1]
Q4/2019: Wirtschaftspolitisch ein Quartal zum Vergessen
Jüngst wurden die Quartalszahlen für den Zeitraum nach Implementierung der Steuererhöhung veröffentlicht. Nachdem die Regierung bereits 2014 nach einer Erhöhung von 5 auf 8% die Konjunktur schwer ausbremste und privaten Konsum als auch unternehmerische Investitionen im zweistelligen Prozentbereich zurückgingen, hoffte man diesmal, ähnliche Verwerfungen vermeiden zu können. Hierzu waren insbesondere die zuvor genannten Begleitmaßnahmen, wie etwa die steuerliche Ausnahme von Lebensmitteln, gedacht.
Doch auch diesmal traf die Steuererhöhung die Konsum- und Investitionsstimmung schwer. Die Konsumenten reagierten sensibel auf die Preiserhöhungen, sodass die Konsumausgaben im vierten Quartal um 11 Prozent (annualisiert) zurückgingen. Auf die gesunkene Konsumnachfrage reagierten die Unternehmen wiederum mit einer Senkung der Investitionsausgaben um 14% (annualisiert). Insgesamt schrumpfte Japans Wirtschaft um etwas mehr als 6% (annualisiert).[2] Diese Kontraktion der Wirtschaftsleistung führt zudem, so ist anzunehmen, zu einer Anspannung der Lage auf dem Arbeitsmarkt, sodass es zu abwärts gerichtetem Lohndruck und Entlassungen, mit all den negativen sozial-gesellschaftlichen Konsequenzen, kommt. Ebenso haben Erhöhungen der Mehrwertsteuer eine besonders regressive Verteilungswirkung, da diejenigen mit niedrigem Einkommen einen überproportional großen Teil ihres Einkommens auf Konsumausgaben verwenden (müssen) und daher stärker betroffen sind als diejenigen mit hohen Einkommen. […]
Autor: Maurice Höfgen
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