Der Sozialstaat muss ausgeweitet und die Arbeitswelt im Sinne der Beschäftigten verbessert werden. Die Frage ist wie: durch Vollbeschäftigung oder Konsumschecks?
er markanteste Unterschied zwischen JG (Jobgarantie) und BGE (bedingungslosem Grundeinkommen) ist, dass die JG das Entstehen von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit sowie die damit verbundenen finanziellen und sozialen Konsequenzen bekämpft, während das BGE nicht auf eine Reduzierung von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, sondern lediglich auf Einkommenskompensation mittels universeller Transferzahlungen abzielt. Damit werden die nichtmonetären, gesellschaftlichen und psychologischen Kosten von Arbeitslosigkeit, die schwerer wiegen als der bloße Einkommensverlust, beim BGE vernachlässigt.
Das BGE und dessen Befürworter negieren somit, dass das Entstehen von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit Ausdruck eines wirtschaftspolitischen Fehlers ist – genauer gesagt zu geringer Netto-Ausgaben des Staates –, dessen Verantwortung ohne Zweifel die jeweilige Regierung trägt. Stattdessen ist das BGE lediglich auf die Milderung der Symptome und nicht auf die Bekämpfung der Ursachen ausgerichtet. Die JG bildet die Untergrenzen für akzeptable Löhne und Arbeitsbedingungen und ist damit ein Hebel, um die Arbeitsbedingungen im Privatsektor zu verbessern. Das BGE hingegen wirkt eher als Kompensation für niedrige Löhne sowie schlechte Arbeitsstandards und geht unter Umständen gar mit einem Anpassungsdruck nach unten einher.
Da das Risiko, in die Arbeitslosigkeit zu rutschen, bei Einführung eines BGEs in gleicher Weise bestehen bliebe, korrigiert das BGE nicht die asymmetrische Machtverteilung der Akteure auf dem Arbeitsmarkt. Die JG hingegen verbessert die Verhandlungsposition der Arbeitenden und der Arbeitssuchenden, insbesondere derjenigen, die bisher die meisten Benachteiligungen durch die neoliberale Wirtschaftspolitik erfahren haben. Mit einer JG können die Arbeitenden inakzeptablen Arbeitsbedingungen oder diskriminierendem Vorgesetztenverhalten den Rücken kehren und im Idealfall am selben Tag einen neuen Job finden. Damit hat die JG für diejenigen, die, bildlich gesprochen, ganz hinten in der Schlange am Arbeitsamt stehen, mehr zu bieten als das BGE.
Während die JG zur Korrektur der ökonomischen Ungleichheit beiträgt, ist anzunehmen, dass das BGE die Ungleichheit weiter fördert – sofern es keine steuerpolitischen Gegenmaßnahmen gibt. Im Gegensatz zu Vermögenden nutzen diejenigen am unteren Ende der Einkommensverteilung das BGE fast ausschließlich für Konsumausgaben. Für diejenigen am oberen Ende der Einkommensverteilung wird das BGE allerdings nicht für Konsumausgaben benötigt und stattdessen in zinsbringende Finanzanlagen investiert, wodurch die Ungleichheit zunimmt und der Demokratie ein Bärendienst erwiesen wird. Zwar ermöglicht das BGE den Empfängern einen erhöhten Grad an Freiheit in Hinblick auf deren Konsumentscheidungen, indem das verfügbare Einkommen gemäß den persönlichen Präferenzen ausgegeben werden kann, allerdings wird die Produktionsseite der Welt völlig ignoriert. Dabei ist klar, dass es die Güter und Dienstleistungen, die das BGE kaufen kann, ohne die Produktionsseite gar nicht gäbe. Es muss jemanden geben, der arbeiten geht und die nachgefragten Güter und Dienstleistungen produziert. Überspitzt kann das BGE also zu einer Demokratie an Konsumenten und einer Aristokratie an Produzenten führen – die Jeff Bezos dieser Welt betreiben Großfabriken mit schlechten Arbeitsstandards und produzieren die Güter, die den Konsumhunger der Gesellschaft stillen. Idealerweise sollte die Produktionsseite aber genauso demokratisch und freiheitsorientiert sein wie die Konsumseite. […]
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