Als Linse ja. Die Eurozone ist etwas kompliziert. Mit Eintritt in die Währungsunion haben die Euroländer ihre eigene Währung aufgegeben. Ihre nationalen Zentralbanken wurden zu Zweigestellen der EZB und bilden das sogenannte Eurosystem, das jetzt das Monopol über die Schöpfung von Euros hat. Die Euroländer haben damit formal den Status eines Währungsherausgebers aufgegeben und wurden zu Währungsnutzern. Dadurch haben sie ihren Grad an monetärer Souveränität herabgestuft.
Für die Eurozone als Ganzes besteht ein hoher Grad an Souveränität, für die einzelnen Mitgliedsländer jedoch nicht. Die Euroländer haben quasi den Status der US-Bundesländer angenommen. Für beide gelten recht strenge Fiskalregeln. Allerdings hat der amerikanische Zentralstaat die fiskalische Hoheit und genug Feuerkraft, um die Wirtschaft zu steuern. Genau das fehlt auf europäischer Ebene. Der Euro ist in der gegenwärtigen Ausgestaltung nur eine halbgare Lösung. Die Euroländer sind durch die Fiskalregeln begrenzt und es gibt keine Euro-Institution, die den dadurch begründeten Mangel an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage kompensieren kann bzw. darf. Es wäre also nur konsequent, die Fiskalregeln zu lockern oder die fiskalische Kapazität auf höhere Ebene in einem Euro-Finanzministerium zu erweitern.
Die finanzpolitische Reaktion auf die Corona-Krise ist hier aber eine Blaupause. Krisenbedingt wurden die Fiskalregeln ausgesetzt bzw. die Notfallklausel aktiviert, ähnlich wie bei der Schuldenbremse. Daneben hat die EZB ein neues Anleihekaufprogramm aufgesetzt: das »Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP)«. Die EZB hat damit 71% aller während der Corona-Krise neu ausgegeben Staatsanleihen in die eigene Bilanz genommen. Damit hält sie die Zinsaufschläge auf Staatsanleihen in Schach und stellt sie sicher, dass Mitgliedsländer über den Verkauf von Staatsanleihen an den Kapitalmarkt die für die Krisenbewältigung benötigten Zentralbankguthaben zu verhältnismäßigen Konditionen erhalten. Die Renditen deutscher Anleihen sind sogar durch die Bank negativ. Das heißt: Die Banken, die dem Staat die Anleihen abkaufen, zahlen dem Staat beim Erwerb der Anleihe mehr Geld, als sie am Ende der Laufzeit zurückbekommen. Der Bund machte damit im Jahr 2020 rund 7,1 Mrd. Euro Zinsgewinne, wie die Kleine Anfrage (Drucksache 19/25152) ergab. Damit sind auch in der Eurozone derzeit, bildlich gesprochen, alle Ampeln für die fiskalische Krisenbewältigung auf Grün gestellt.